Der Ironman Hawaii 2017
Bericht von Markus Lutz
Gegen 5:30 ging ich zum Bodymarking und dem obligatorischen Wiegen (dies aus Gründen bei med. Notfällen während des Rennens , das nehmen die Amis ganz genau), danach das übliche Prozedere in der Wechselzone.
Von dort konnten wir Agegrouper dann den Start der Pofis miterleben. War schon ein gigantischer Anblick, die im Dämmerlicht liegende Bucht von Kona war in diesem Moment das größte Schwimmstadion der Welt, rundherum gesäumt mit Zuschauern. Die Helikopter kreisten über uns, auf dem Wasser unzählige Boards und Begleitboote, auch im Südseestyle. Aufpeitschende Musik. Dann die US-Hymne a capella von einer Hawaiianerin gesungen. Gänsehautstimmung.
Gerade als die Sonne zum ersten mal über den Hualalei lugte, ertönte der Kononendonner zum Start.
Beeindruckend, wie da einige mit einer derart hohen Frequenz lossprinten, als gäbe es kein Morgen mehr. Ich konnte aus meiner Position aber nicht erkennen, wer diejenigen waren.
5 Minuten danach der Start der Frauen und dann die Konzentration auf den Beginn des eigenen Rennens in 25 Minuten.
Das besondere in Kona ist der Wasserstart ca. 150 m von der Küste entfernt. Um nicht durch zu langes Wassertreten unnötig viele Kräfte zu vergeuden steigen die meisten Athleten erst kurz vor dem Start über eine relativ schmale Treppe ins Wasser. Durch den Rückstau kam ich dann erst knapp 5 Minuten vor dem Start ins Wasser und orientierte mich zur Startlinie.
Mist! Schwimmbrille undicht!
Also zurück und einstellen. Aber leichter gesagt als getan, da mir natürlich alle anderen entgegen kamen. Letztendlich gerade noch rechtzeitig zur Startlinie geschafft, Adrenalinschub inklusive und los geht’s.
Da meine Schwimmleistungen bekanntlich nicht ausreichen um mich mit den Besten zu messen, die dann auch gleich weg waren, und der Pazifik genügend Raum für alle lässt, war es für mich ein sehr entspanntes Schwimmen mit fast keinem Körperkontakt.
Nach wenigen Metern tauchte vor mir ein grosser Kerl im auffällig roten Schwimmanzug und charakteristischem Beinschlag auf, der etwa mein Tempo schwamm. Ich ließ ihn bis kurz vor dem Ausstieg nicht mehr aus dem Augen. Der hatte zudem eine richtig gute Orientierung, an der es mir, wie ihr vielleicht wisst, auch ab und zu mal fehlt. Hat alle Bojen metergenau angesteuert. Ein paar mal hatte ich das Gefühl, es ginge auch schneller, aber als ich aus dem Wasserschatten schwamm merkte ich schnell, das ich nur mit großem Krafteinsatz vorbeikommen würde.
Also wieder an die Füße des Vordermannes und 2 km im Freiwasseraquarium mit jeder Menge buntem Getier hinaus zur Wendemarke und auf dem gleichen Weg zurück. Auch wenn sich der Rückweg durch eine leichte Strömung etwas hinzieht war ich mit der Zeit von 1:19 h sehr zufrieden.
Sogar etwas schneller als 2013 und kaum Kraft vergeudet.
Wechselzeit: Nein, das war kein typischer Lutz, der mal wieder 5 Minuten im der Wechselzone rumspielt! Dass es etwas länger dauerte, hatte handfeste Gründe. Erstens ziehe ich grundsätzlich Socken zum Radfahren an, außerdem Sleeves, die bekanntlich etwas schwerer über die strammen Waden rutschen. Zu guter Letzt gönnte ich mir noch eine Sonnencrememassage einer jungen Hawaiianerin, da ich mir 2013 einen richtig bösen Sonnenbrand holte.
Alles prima bis dahin, Reifen hatten noch Luft (war nicht bei allen so, es gab einige Knalls im Radpark), die Verfolgungsjagd auf die Enteilten konnte losgehen
zuerst geht es auf dem Rad um einige Ecken herum durch die Stadt und dann in südlicher Richtung etwa 5 km den Kuakini Highway hoch. Obwohl Kona nur rund 25.000 Einwohner hat, waren sehr viele Zuschauer in der Stadt. Keine Ahnung wo die alle herkamen, erinnerte aber ansatzweise an Roth. Kuakini wieder runter, einen steilen halben Kilometer die Palani Road hoch und dann bist du ganz alleine (außer den 2300 anderen Verrückten natürlich) auf der Straße mit dem wohlklingenden Namen Queen Ka’ahumanu Highway, in der Szene hinlänglich nur als Queen K bekannt.
Mir ging es zu diesem Zeitpunkt gut, ich freute mich, auf dieser geschichtsträchtigen Straße unterwegs sein zu dürfen und war mir durchaus bewusst, was für ein Glückpilz ich doch bin.
Erste Verpfegungsstation. Eiskaltes Wasser drüberschütten, obwohl die Temperaturen noch moderat waren, erster Schluck aus der ungeliebten Gelflasche.
Weiter. 85 km geradeaus. Aber plötzlich fiel mir auf , dass irgendetwas an diesem Tag nicht stimmte: über dem Hualalei bildeten sich im Gegensatz zu allen anderen Tagen, seit wir auf der Insel waren, keine Wolken! Ich redete mir ein, dass diese schon noch kommen würden, aber um es vorwegzunehmen: ich wartete den ganzen langen Tag vergeblich darauf.
Ein endlos scheinendes schwarzes Asphaltband in einer endlosen schwarzen Lavalandschaft, links unten der blaue Pazifik, rechts der alte Vulkan Mauna Lea, und das über Stunden hinweg bei Sport an der Leistungsgrenze, das kann ganz schön eintönig werden.
Da fiel mir gerade ein was Faris vor ein paar Tagen gesagt hatte (oder war es Hellriegel?): Hawaii ist eine wunderschöne, abwechslungsreiche Insel, aber eigentlich kein Ort um richtigen Sport zu machen.
Plötzlich wie aus dem Nichts dann aber die Abwechslung draussen bei Waikoloa. Der Mumuku kam überfallartig von vorne und blies die nächsten 20 km mit ganzer Kraft.
Da wäre es doch lieber eintönig geblieben.
Ohne Übertreibung, ich musste kurzzeitig auf das kleine Blatt schalten. Kienle, Sanders und Wurf müssen Übermenschen sein, um an einem solchen Tag den Radrekord zu pulverisieren. Es kann aber auch sein, dass der Wind nicht permanent geblasen hat. Auf dem Rückweg habe ich ihn nämlich auch vermisst ☹.
Bei Kawaihae, dort wo sich die Abzweigung Richtung Hawi befindet, hatte die Göttin des Windes (war das Hina?) dann ein Einsehen und befahl dem Mumuku eine Pause. Aber nur, um ihn auf dem Anstieg nach Hawi wieder aufleben zu lassen.
Der Anstieg zieht sich über gut 5 km und 160 Hm bis zum nördlichen Wendepunkt im ehemaligen Hippie-Dorf hin. Auf der Abfahrt wurde ich jedoch nicht belohnt, da es mir mit dem Zipp 808 nicht möglich war, in den Windböen Aeropositition zu fahren.
Ich hatte zwar keinen Tacho dabei, vermute aber mal, dass ich nicht wesentlich schneller als 60 kmh fahren konnte. Und ein Michi Weiss jagt da mit seinem flächigen Diamondback mit 80 Sachen runter – die Profis sind auch in der Disziplin Radbeherrschung in einer anderen Welt unterwegs.
Und dann zog es sich wieder hin. Wieder Kawaihae. Wieder Waikoloa. Die Hubschrauberstation. Hinauf zum Scenic Point. Hoffen, dass man bald die ersten Flugzeuge am International Kona Keahole Airport starten und landen sieht.
Ich war bis dahin ordentlich unterwegs, hatte alle Verpflegugsstationen ausreichend genutzt und war guter Dinge. Dass durch den zeitweise heftigen Wind keine 5 Stunden auf dem Rad möglich waren war mir zu diesem Zeitpunkt bewusst, aber kein Problem. Mein vor wenigen Tagen definiertes Ziel war ja hauptsächlich, das Rennen zu genießen.
Und irgendwann tauchte dann unten am Meer der Flughafentower auf – noch 20km bis Kona. Und das war auch der Zeitpunkt, an dem ich die ersten Sterne sah. Blöderweise war es Taghell. Wenige Minuten später fuhr ich am Eingang zum Energie Lab vorbei, wo ich 2 Stunden später noch zum Meer hinunter und wieder hoch laufen sollte.
Hier nahm ich dann schon eine ganze Milchstraße vor meinen Augen wahr. Langsam, immer langsamer kam die Stadtgrenze in Sicht. Einmal noch die Makala Road hinunter, noch ein kurzes Stück Palani, dann nahm mir ein Volunteer endlich das Rad weg.
Apropos Helfer: die sind ja überall fleißig, freundlich und hilfsbereit. Aber hier wurde alles übertroffen. Es waren zu jedem Zeitpunkt an allen Orten mehr als genug davon da. Und alle munterten dich auf oder hatten ein nettes Wort übrig. Später auf der Laufstrecke haben sich sogar welche entschuldigt, wenn die Cola beim Anreichen überschwappte oder ein Eiswürfel aus dem Becher fiel. Dazu muss man auch noch wissen, dass viele auf eigene Kosten vom Festland anreisen und einen Teil ihres in USA eh schon knappen Urlaubs dafür opfern.
Große Klasse!!!
Da war ich nun also im Wechselzelt, versuchte ein paar klare Gedanken zu fassen, sah einen Ventilator, nahm mir einen Klappstuhl und setzte mich davor zum Binden der Laufschuhe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich bei irgendeinem anderen Rennen von diesem Stuhl aufgestanden wäre, um in die brüllende Hitze hinauszulaufen.
Da es aber der Ironman Hawaii war und ein Held auch mal ein paar Schmerzen ertragen muss, wankte ich hinaus ich habe bei meinen bisherigen zehn Langstreckentriathlons noch keine wesentlichen Gehpausen im Marathon einlegen müssen. Dieses mal hatte ich mir jedoch im Vorfeld schon eine vorgenommen. Und zwar die Palani hoch nach etwa 15 km, nach der ersten Schleife auf dem Alii Drive. Ich wollte mich in den zwei oder drei Minuten soweit erholen um oben wieder voll durchstarten zu können. Dies ist eine Taktik, die auch einzelne Profis anwenden.
Als ich aus dem Wechselzelt stolperte begannen sofort die gutgemeinten Anfeuerungsrufe der Zuschauer, oft mit den Worten “good job” und noch häufiger “you’r looking good”.
Ich wusste genau, dass dem nicht so war und hätte mich nur ungern im Spiegel sehen wollen.
Aber es lagen ja noch 42 Kilometer bis zum Ruhm vor mir. Ich wollte zumindest versuchen, so lange wie möglich ein halbwegs ordentliches Tempo aufrecht zu erhalten. Nach 5 Minuten kam ich an unserem Hotel vorbei, sah, dass Marius auf mich wartete und gab mir größte Mühe, entspannt und locker zu wirken. Es ist mir in dem Moment wohl auch gelungen.
Als nächstes stellte ich fest, dass der linke Schnürsenkel auf war. Das gleiche ist mir auch schon in Frankfurt nach 5 Minuten bei der Qauli passiert. Das kostete mich damals zwar keine Zeit, da ich die restlichen 41 km mit offenen Schuhen lief, dafür aber den Nagel des großen Zehs. Das wollte ich dieses mal vermeiden und kniete mich kurze Zeit später zum Schuhebinden in den Strahl eines Wasserschlauches am Streckenrand. Leider hatte sich ein Knoten gebildet, ich ließ den Senkel also offen, verweilte aber trotzdem noch ein paar Sekunden unter der kühlenden Dusche.
Der Weg auf dem Alii Drive führt mit einigen leichten Steigungen am Meer entlang, vorbei an den Hotels, in denen die meisten der Athleten wohnen. Nach 7 km kommt der südliche Wendepunkt, danach auf gleichem Weg zurück ins Zentrum. Ich konnte meinen Motor noch immer halbwegs am Laufen halten, allerdings mit kurzen Gehpausen an den Verpflegungsstellen. Aber es überholten mich plötzlich die ersten Frauen, auch etwas Neues für mich.
Da man sich auf einer solch langen Strecke immer Etappenziele setzen muss, freute ich mich nun langsam auf meine geplante Gehpause. Vorher aber bei der zweiten Begegnung mit Marius wieder entspannt und locker wirken.
Gelungen!
Wie schwer es an diesem Tag für viele war zeigt auch das Bild, dass sich mir an der Palani Road bot. In meinem Blickfeld befanden sich ca. 20 bis 30 Athleten, nur eine lief, die anderen gingen hinauf. Und das bei diesem Wettbewerb!
Nach dem Anstieg ging es zum zweiten mal an diesem Tag auf dem Queen K hinaus in die flirrende Lavawüste. Gleich zu Beginn steht traditionell die ganze Hannes-Crew und macht eine Riesenparty. Ich kämpfte mich noch laufend durch das Spalier, unmittelbar danach gingen aber alle Lampen aus.
Es war nichts mehr zu machen. Es half kein Eis, keine Cola, keine Salzbrezel, keine Banane, nichts.
Der Zeitpunkt meines ersten Wandertages war gekommen. Da ich mich noch nicht ganz damit abfinden wollte, versuchte ich noch ein paar mal den Motor neu zu starten, leider erfolglos. Und so spazierte ich eine Stunde lang ins Energy Lab und wieder zurück dem Sonnenuntergang entgegen.
Die an diesem Tage verdammte Sonne!
Als sie nur noch knapp über dem Horizont stand, kehrten meine Lebensgeister allmählich zurück. Erst noch mit Unterbrechungen, dann aber stabil, konnte ich wieder ins Laufen übergehen und so die letzten acht von 226 km in sogar zügigem Tempo zurücklegen.
An der Kreuzung Hualalei/Alii wartete wieder Marius auf mich. Bevor ich mir die Bayernflagge (weiß-blau, nicht rot!) für den Zieleinlauf von ihm überreichen ließ, galt es natürlich wieder, locker und entspannt auszusehen. Und siehe da, das war nun gar nicht mehr so schwer.
Es dauerte noch zwei Minuten, dann durfte
ich unter den unvermeidlichen Rufen des ewigen Mike Reilly “Maköös, you are an Ironman” das Zieltor durchlaufen.
Zehn Meter entfernt von der schmalen Treppe, über die ich gut 11 Stunden vorher in den Ozean gestiegen bin…….